Was la-la-la-en wir eigentlich halbbewusst so mit dem Radio mit? Jede Woche analysieren wir hier die Nummer 1 der Deutschen Single-Charts. Egal, wer es ist. Egal, was dabei herauskommt.
Von manchen schon als der Hit zur Finanzkrise hochsterilisiert, erklimmt „Irgendwas bleibt“ von Silbermond nun also den DAX der Popmusik, die deutschen Single-Charts. Silbermond, wir erinnern uns, ist diese Ansammlung von Turnbeutelvergessern um eine etwas derb auftretende schwarzhaarige Regionalschönheit mit dem wunderbar lautmalerischen Namen Stephanie Kloß, die zusammen aussahen, wie eine Schülerband irgendwo aus Deutschlands sächsischem Langeweile-Gürtel eben so aussieht:
Quod erat demonstrandum. Und der Text?
Silbermond – Irgendwas bleibt (Auszug)
Sag mir, dass dieser Ort hier sicher ist
und alles Gute steht hier still.
Und dass das Wort, das du mir heute gibst,
morgen noch genauso gilt.
Diese Welt ist schnell
und hat verlernt beständig zu sein.
Denn Versuchungen setzen ihre Frist.
Doch bitte schwör, dass wenn ich wieder komme,
alles noch beim Alten ist.
Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit
in einer Welt in der nichts sicher scheint.
Gib mir in dieser schweren Zeit irgendwas das bleibt.
Gib mir einfach nur ein bisschen Halt.
Und wieg mich einfach nur in Sicherheit.
Hol mich aus dieser schnellen Zeit.
Nimm mir ein bisschen Geschwindigkeit.
Gib mir was.. irgendwas, das bleibt.
Erinnert der Song an sich musikalisch frappierend an Ozzy Osbournes Autopsychoanalyse „Dreamer“, findet man auf der (bei deutschen Pop-Songs obligatorischen) sozialkritischen Meso-Ebene eine heftige Anklage unser unruhigen Zeiten: Alles ändert sich, und das auch noch zu schnell, nichts ist mehr sicher und überhaupt, die „Welt (…) hat verlernt beständig zu sein“. Was auf den ersten Blick durchaus klingen mag wie ein lyrischer Wählerbrief an Gregor Gysi, entpuppt sich bei genauerer Analyse und aufmerksamen Genuss des Videos als wahre Kampfschrift.
Hier wird kein Liebhaber gebeten, morgen nicht zur Arbeit bei den Heuschrecken zu gehen, keine Angela Merkel konstruktiv kritisiert, mehr Staat zu wagen – hier wird Heiligendamm und Genua direkt in Popmusik übersetzt!
Auf die Barrikaden, Realschüler! SMV war gestern, heute ist Molotov!
Silbermond, bekannt für imperativisches Sendungsbewusstsein („Mach´s Dir selbst!“ , „Verschwende Deine Zeit!“), liefern hier einen mutigen Protest-Song im Stile Bob Dylans. Simpel gereimt („-heit, scheint, bleibt.“), ohne störende Fremdwörter oder sonstige Ablenkungen, mit ordentlich Krisenpathos („…in dieser schweren Zeit…“) und lokalpatriotischer Globalisierungskritik („Auch wenn die Welt den Verstand verliert, das ‘Hier’ bleibt unberührt.“).
Ein Song für eine neue Generation von Arafat-Tüchern (9,90€ bei H&M).
Liebe Steinewerfer und sonstige Demonstranten, das Jahr 2009, das Jahr Eures großen „Wir haben´s doch immer schon gewusst“-Triumphschreis, stürzt euch selbst in eine tiefe Krise.
Denn ab nun ist Silbermond der offizielle Soundtrack eures Protestes.
4 comments
Kriz says:
Mrz 13, 2009
Treffend, unprätentiös, konstruktiv. Auch mich hat bei der Resorption jenes (wertneutral formuliert) Machwerks wiederholt eine Überproduktion gelber Galle ereilt. Nur die geringer werdende Schar der Anhänger der Humoralpathologie können ermessen, welch desaströse Folgen daraus erwachsen werden. Dennoch: No jokes with names! Mehr als nur eine journalistische Grundregel. Und da gibts auch kein “der blog, der darf das”. Die Wahrheit ist: Stephanie ist voll und ganz unverschuldet in den Besitz ihres Kloßes gekommen. Jede Interpretation der lautlichen Gestalt oder Bildhaftigkeit dieses Fleisch- oder Markbällchens liefe ins Leere. Bitte haltet euch daran, das ufert aus. Ich weiß wovon ich rede: “Ian Rush – jetzt aber rasch.” “Sand hat Sand im Getriebe.” “Foul von… na wem wohl? Fowler!” Und Lernen von Sportreportern, das will ja keiner. Nicht mal von Delling.
Sonst aber alles entspannt.
Weiter so! Es grüßt, ein Phlegmatiker vor dem Herrn
Anonymous says:
Mai 11, 2009
yeah, silbermond, die plüschtiere deutschen “no message” poprocks, als emotionale widerstandskämpfer gegen die unbeständigkeit des weltalls… ähh… ich meine,
“kampf der erd-rotation!” -.-
vorsicht, mode-revoluzzer, FALLE…
Anonymous says:
Jan 10, 2010
Diese “Analyse” des Songs Irgendwas bleibt von Silbermond ist aber sehr oberflächlich geschrieben worden.Der Verfasser hat den Sinn dieses Liedes (trotz vermisster Fremdwörter)wohl immer noch nicht so ganz verstanden.Den Herkunftsort Bautzen als “sächsischen Langeweile-Gürtel” zu bezeichnen, zeugt von “großer” Recherche,nichtvorhandener geografischer Kenntnis und sehr “patriotisch” für ein einheitliches Deutschland.Silbermond anhand des Aussehens der Frontfrau zu kritisieren ist der eindeutigste Beweis für Oberflächlichkeit,ein nur sperrlich ausgeprägtes Großhirn,mangelhafte Journalismusfähigkeiten und fehlende Toleranz in jeder Hinsicht.Wenn jeder solch Beiträge verfasst, habe ich wirklich Angst (um es mal mit den Worten Silbermonds zu beschreiben…)die Welt den Verstand verliert!
Fred says:
Jan 11, 2010
Ja, da hast Du natürlich Recht.
Oberflächlich, aber deswegen nicht negativ!
Ich finde die Frontfrau an sich ziemlich attraktiv (“schwarzhaarige Regionalschönheit” ist angesichts meiner ländlichen Biographie durchaus ein Kompliment), das Lied bezeichen ich bewusst als “mutiger Protestsong”, und von Musik habe ich grundsätzlich noch weniger Ahnung als von Geografie, weswegen ich mir da kein Urteil erlaube.
Sorry.
Was ist denn die richtige Interpretation?