Als ich lernte, Buchstaben zu Wörtern und später Wörter zu Sätzen zu kombinieren, ahnte ich nicht, welch großen Unfug man mit den richtigen Buchstaben- und Wortkombinationen zu treiben im Stande ist. So sieht und hört man vielerorts die groteskesten und aberwitzigsten Auswüchse solcher Sprachakrobatik. Manchmal geschrieben, manchmal gesprochen. Und doch sieht und hört man beides. Sowohl Optik als auch Akustik sind gleichermaßen gefordert, wenn sich der moderne Mensch sprachlichen Phänomenen aussetzt.

Nehmen wir zum Beispiel eine Szene aus einer anonym bleiben wollenden Dreifachturnhalle im westfälischen Telgte. Dort hängt an einem der Notausgänge ein laminiertes DinA4-Schild, das eine klare Aussage transportiert. Missverständnisse ausschließend und an Deutlichkeit nicht zu übertreffen. Eine klare Linie wird verfolgt. Selbst der gewiefteste Winkeladvokat wäre mundtot gemacht und zur Einsicht gezwungen, sähe er sich vor Gericht diesem Schild als Gegenbeweis der Anklage konfrontiert. Kein Vorbei mehr, keine Ausflüchte mehr, vor allem keine Ausreden mehr, wenn wieder mal ein von Blasendruck geplagter Kicker der örtlichen F-Jugend zum Verrichten der Notdurft die bequemere, weil schneller ins Freie führende Abkürzung durch den Notausgang nimmt, um dann direkt dahinter, im Lichte der Freiheit, seinem Leiden ein Ende zu setzen. Hallenverbot! Mindestens bis zur D-Jugend!

Ein Schild, massiver als jede Stahltür, einschränkender als die Berliner Mauer zu besten Zeiten, erbarmungsloser als Ivan Drago und Dirk Bach zusammen. Und doch verfolgt es nur ein simples Ziel: Ordnung. Durch nüchtern kalkulierte, juristisch wasserdichte Redundanz verleiht es seiner Botschaft eindrucksvoll die Art Nachdruck, den man sonst nur von jugoslawischen Inkasso-Unternehmen oder Schwarz-Gelb kennt, wenn es um die Durchsetzung neuer Steuergesetze geht.

In einer unterkühlten, manchmal undurchsichtigen Welt voller Fehl- und Überinterpretation, in einer Zeit, in der einem jedes Wort im Mund umgedreht wird (siehe Lothar Matthäus), in einer Kultur, in der anerkannte Künstler in Taxis nicht mal mehr rauchen und koksen dürfen, schafft dieses Meisterwerk deutscher Deutlichkeit klare Klarheit! Optisch wie akustisch.

„Diesen Notausgang nur im Notfall benutzen!“