Servus Fred, moin WG, liebe Käthe, geneigte Leser,
nach 17 Tagen in Südafrika ist es an der Zeit, kurz innezuhalten und zurückzuschauen, was geschehen ist. Die Eindrücke hier sind teilweise überwätigend. Allen voran stehen die Erlebnisse live vor Ort im Soccer City Stadion hier in Johannesburg. Wenn 80.000 fußballverrückte Aficionados in die Hörner blasen, ist das zwar anders als aus heimischen Stadion gewohnt, dennoch ein voluminöses Stück sonorer Horizontwerweiterung. Die öffentliche Kritik an den Vuvuzelas scheint zudem langsam zu verhallen, da das Spiel selbst langsam aber sicher die Alleinherrschaft an sich reißt. Auf der andere Seite klafft in Johannesburg eine riesige Lücke zwischen Arm und Reich. Zwischen Villenvierteln und Wellblechhütten liegen meist nicht mehr als 200 Meter. Und mitten drin die internationale Medienszene wie ein Fremdkörper in einem Kosmos voller Widersprüche.
Man kann über den bisherigen Verlauf der WM geteilter Meinung sein. Sicher, wir haben in der Vorrunde viele Spiele gesehen, die nie hätten gespielt werden müssen. Trotzdem erinnern wir uns gern an das ein oder andere Highlight. Denken wir an Deutschlands glanzvollen Auftakt gegen Australien oder Argentiniens Machtdemonstration im Spiel gegen Südkorea. Das 7:0 der Portugiesen gegen die No-Name-Truppe aus dem Nordkorea hat wiederum gezeigt, dass die Kernkompetenzen einiger Nationen eindeutig abseits des Fußballspiels beheimatet sind.
Wir haben zwar keine Atomsprengköpfe, dafür aber Mesut, Manuel und Fipsi. Das allein reicht offenbar schon, um in den Redaktionen der englischen Presse für Angst und Schrecken zu sorgen. Auf der Insel befürchtet man gegen die wilden Horden aus Teutonia wie immer blitzkriegartige German Warfare oder roboterhafte Panzervorstöße. Wir bleiben gelassen und vertrauen auf unsere Besonnenheit. Am Ende gewinnen doch eh immer die Deutschen.
Viel über das Land Südafrika kann ich indes nicht berichten, da das Leben hier – insbesondere für Ausländer – nicht vergleichbar ist mit dem in Europa. Wir leben in einem kleinen, recht ruhigen Stadtteil von Johannesburg mit ein wenig Gastronomie. Unsere Appartmentchalets sind gesichert wie Stammheim im Deutschen Herbst. Um in mein Häuschen zu gelangen, kommen drei unterschiedliche Sicherheitsschlüssel inklusive einer elektronischen Fernsteuerung für ein Stahltor zum Einsatz. Die Meisten Wohnhäuser hier umgeben hochgezogene Mauern gesäumt mit Strom gespiesenen Stacheldrahtzäunen. Die Menschen hier sind mit diesem Umständen aufgewachsen. Für uns Europäer ist das jedoch sehr gewöhnungsbdürftig. Alleine von A nach B zu gehen – auch wenn es nur wenige hundert Meter sind – wird nicht empfohlen. Beinahe jeder Weg wird mit einem von offizieller Seite für vertrauenswürdig eingestuften Taxi bzw. Shuttle zurückgelegt. Langsam gewöhnt man sich zwar daran, angenehmer wird es dadurch jedoch nicht. Das Bild des goldenen Käfigs kreist dabei oft durch meinen Kopf. Viel gesehen habe ich von diesem Land bisher noch nicht. Ich werde wie durch eine Tunnel von meinem Appartment bis zur Arbeit, zum Stadion und wieder zurück geschleust. Sicher ist sicher. Abends vielleicht noch ein Absacker auf der Kneipenstraße vor meiner Haustür. Dann ab ins Bett. Morgen geht’s weiter.
Die wenigen Einheimischen, die ich bisher traf, begegnen einem mit viel Wärme und einer für Europärer ungewohnten Herzigkeit. Es wird stets höflich gegrüßt. Und zwar mit der offenen Frage: “How are you?” Eine Antwort ist nicht zwingend notwendig. Insgesamt wird viel gelacht und gesungen. Ob die Putzkräfte oder die Mädels hinter den Kassen: Gute Laune ist allgegenwärtig. Selbst nach dem Ausscheiden der Bafana Bafana nach der Vorrunde. Bemerkenswert.
Mal sehen, wie es hier weitergeht. Bald fangen die Entscheidungsspiele an. Deutschland ist dabei. England bald nicht mehr. Und soeben schießt Robert Vittek das 1:0 der Slowaken gegen Bella Italia. Ich schließe also mit einem Ciao ciao gen Heimat!
4 comments
Fred says:
Jun 24, 2010
Ach, wie schön. Also Text und Italien. Schönschönschön. Wunderschön. Ciao.
mo says:
Jun 24, 2010
Oh ja. Danke. Wir liegen uns hier auch schon die ganze Zeit selig in den Armen. Ciao!
Herr Außenreporter says:
Jun 25, 2010
Versteht Ihr jetzt eigentlich meine Affinität zu Italien. Habe bei dieser WM noch keinen schöneren Fan gesehen. Wenn ich nicht schon verliebt wäre, dann wäre ich es jetzt!
Bella Italia!
Nils says:
Jun 26, 2010
Schöner Text und was für eine Traumfrau (auch wenn sie wohl Italienerin ist)