Eine heiterkeitsgenerierende Dokumentation über Religion? Ohne atheistischen Negierung-Reflex, billigen Spott oder lästerliche Beleidigungen?
Es geht.
Bill Maher, amerikanischer Comedian, trifft auf eine ganze Geisterbahn religiöser Fundamentalisten, aber auch “ganz normale” Gläubigen, und zeigt ihnen ihre eigene Betriebsblindheit auf. Und was man so (nicht nur in den USA) an Überzeugungen und deren obskurer Manifestationen findet, ist an sich schon spektakulär genug: Jesus-Musicals und -Wiedergeburten, koschere Gadgets zur Einhaltung des Sabbats, schwule muslimische Aktivisten, Selbstmordattentat-Rapper, Senatoren die nicht an die Evolution glauben.
Und natürlich ganz viel Ignoranz, Alleingültigkeit, Sturheit.
Maher kämpft also mit Augenzwinkern und Selbstironie gegen die vermeintliche Omnipotenz des Wortes “Glaube” (“faith“), welches als Allzweckwaffe zur Verteidigung selbst abstrusester Ideenkonstrukte herhalten muss. Er entdeckt schnell, dass die Gläubigen nur ihm als Ungläubigen gegenüber nicht zugeben können, wie viel Quatsch zum Beispiel in der Bibel steht (oder sie je nach Bedarf hinzudichten). Nach außen hin bleiben sie knallhart.
Bemerkenswert ist nämlich die dünne Fassade an Toleranz und Offenheit der Religiösen, die schon bei harmlosen Fragen bröselt wie eine alte Tapete. Darunter steckt meist unbeugsamer Religionschauvinismus – wer nicht für uns ist, ist gegen IHN, egal ob Jahwe oder Allah oder Jesus. Ähnlich verhält es sich mit den sich quer durch alle Religionen wiederholenden argumentativen Zirkelschlüsse, die handelsübliche Religion erst möglich machen: Das ist so, weil Gott es so macht, und Gott ist so, weil es irgendwo so geschrieben steht, und zwar von Gott, und deswegen muss man das glauben, comprende?
Mit Hilfe einer manchmal grenzwertigen Portion eigener Sturheit und trotz aller Blockade seitens seiner Gesprächspartner gelingt es Maher jedoch in diesem Film, der mit Szenen aus alten Jesus-Monumentalfilmen und eingeblendeten Fakten charmanter und intelligenter, aber doch ähnlich suggestiv arbeitet wie z.B. Michael Moores Dokumentationen, etwas erstaunlich simples. Er etabliert einen fröhlichen Skeptizismus, der jedem Glauben, der sich inzestuös durch sich selbst legitimiert, ein entspanntes “Warum soll man das glauben?” entgegenstellt. Er gibt der großen Minderheit an “Rationalisten”, die an keine übermenschliche, allwissende, unangreifbare Kraft glauben, und deswegen Verstärkung durch die sehr menschliche, aber umso wirksamere Magie des Humors gut gebrauchen können, eine umwerfend komische Stimme.
Das kann auch nerven, so wie jeder Superschlaue nervt, der den in die Wunde gelegten Finger dort vergisst. Maher ist Komiker, er überzeichnet, das gehört zum Job. Trotzdem oder gerade deswegen:
Gott sei Dank gibt es solche Filme.
Der deutsche Trailer macht nur halb so viel Spaß, deswegen gibt´s drunter auch den englischen.
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3 comments
KRIZ says:
Apr 4, 2009
Das Fegefeuer wird dir deinen Zynismus schon aus den Poren braten…;)
Nee hast ja recht: Dumme Gläubige sind in ihrer Außendarstellung einfach nur bemitleidenswert. Dennoch: Für einen intelligenten, rationalen, aufgeklärten Menschen, ist es viel einfacher, nicht zu glauben als es doch zu tun. Also stell ersteres nicht als große Geistesleistung hin, denn der Skeptizismus ist zuerst da.
Fred says:
Apr 4, 2009
Deswegen schrieb ich ja “Etwas erstaunlich simples”, weil eben keine große Geistesleistung. Seine “Leistung” besteht, das ist wichtig, jedoch nicht in seiner eigenen Haltung, die an sich nichts besonderes ist, sondern in der Etablierung derselben in der Kommunikation mit religiösen Hardlinern.
Ob der Skeptizismus zuerst da war/ist, wie du meinst, würde ich bezweifeln. Meinst Du, mehr Kinder werden heutzutage komplett atheistisch oder eher mehr oder weniger religiös erzogen? Ist nicht fast jeder von uns wenigstens ein bisschen religiös vorgeprägt? Ist nicht irgendeine Form von (christlichem) Gottesglaube so tief in unserem europäischen Kulturkern verwurzelt, dass wir fast automatisch ein bisschen glauben?
In Mahers Fall war zuerst der Glaube da, das kommt im Film klar raus. Seine Eltern haben ihn religiös erzogen, mit Kirchenbesuchen und pipapo. Bis sie wegen der Frage der Geburtenkontrolle ausgetreten sind. Ein typischer Fall, würde ich sagen.
Einen Skeptizismus musste er sich also erst zulegen. Die Frage ist doch: wenn das so einfach ist, warum zweifeln dann nicht mehr Menschen?
Ich glaube, es ist genau andersrum: Es ist der Weg des geringsten Widerstandes, an Gott zu glauben. Zu zweifeln ist anstrengend.
KRIZ says:
Apr 4, 2009
An Gott glauben = der Weg des geringeren Widerstandes? Das mag für Bagdad gelten, für den Bibelgürtel der USA, für das heilige römische Reich während des Mittelalters, aber ganz bestimmt nicht für Deutschland anno2009. Nicht einmal auf bischöflichen Knabenkonvikten wird es Skeptikern, Agnostikern oder Atheisten heutzutage schwer gemacht, ihre Meinung laut in die Welt zu posaunen. Auf vergleichbares Desinteresse stößt allenfalls noch eine spirituelle Nähe zum Buddhismus wie sie von C-Promis oft in Sonntagsinterviews zum Besten gegeben wird.
Und was die Frage anbelangt: Was war zuerst da – der Glaube oder die Skepsis, so muss ich auch hier dagegen halten. Religiöse Erziehung hin oder her, an einem bestimmten Punkt des Lebens, meistens so zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr, macht die Frage des Glaubens jeder mit sich selbst aus. Vorerfahrungen können da in etwa gleichem Verhältnis sowohl abschreckend wirken und zu Ablehnung führen wie eben nicht. Und an diesem Punkt kommt die Skepsis ins Spiel: Zunächst einmal ist sich an diesem Punkt seines Lebens jeder Heranwachsende der vielen Argumente bewusst, die gegen die Existenz einer göttlichen Macht sprechen. Zu glauben heißt also immer: TROTZDEM. Und ein “trotzdem” mein Freund und heiterer Agnostiker ist immer anstrengender als ein “deshalb”.